PKW-B-Säulenkonzpt

Abb.1: Konstruktion der flanschlosen B-Säule in der Seitenwandgruppe des Golf A5

Problemstellung

Automobile Entwicklungstrends werden neben wachsenden Anforderungen bezüglich Design, Komfort und Leistungsvermögen zunehmend auch durch wachsende Sicherheitsanforderungen und ökologischen Gesichtspunkte wie vor allem dem Kraftstoffverbrauch bestimmt. Speziell steigende Sicherheitsanforderungen und sinkender Kraftstoffverbrauch sind dabei potenziell gegenläufige Entwicklungsrichtungen. Eines der Hauptmerkmale zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauches ist die Reduzierung des Fahrzeuggewichtes. In der aktuellen Automobilgeneration werden für hochbeanspruchte, crashrelevante Baugruppen pressgehärtete Bor-Mangan legierte Stahlwerkstoffe eingesetzt, welche durch entsprechende Wärmebehandlung Festigkeiten bis zu 1.500 MPa erreichen und damit die Crashanforderungen bei im Karosseriebau üblichen Wanddicken gewährleisten können.

Einen typischen Einsatzfall stellt dabei das Verstärkungsbauteil der B-Säule dar. Der Aufbau dieser Baugruppe in klassischer Halbschalenbauweise gewährleistet die Einhaltung der im EURO-NCAP Crashtest für eine Höchstbewertung mit fünf Sternen geforderten Struktureigenschaften. Nachteilig auf die Gewichtsbilanz und die Montagetechnologie wirken sich jedoch die für die Blechhalbschalenbauweise charakteristischen Fügeflansche aus. Daraus stellte sich die Aufgabe, innerhalb eines Entwicklungsprojektes unter Federführung der VW Sachsen GmbH einen völlig neuen Ansatz zur flanschlosen Gestaltung einer PKW-B-Säule zu erarbeiten.

Als Vorzugstechnologie zur Herstellung derartiger geschlossener Profile mit höchsten Genauigkeiten wurde dabei die Innenhochdruck-Umformung (IHU) ausgewählt. Schwerpunkte der Aufgabenstellung waren:

  • Belastungsoptimierte Ausführung der B-Säule
  • Neugestaltung von Anbindungs- und Fügestellen sowie Montage- und Fügeverfahren
  • Neugestaltung bestimmter Funktionsbereiche
  • Funktionsoptimierung des Bauteiles auf Basis der zu entwickelnden Technologien
  • Gestaltung der notwendigen Umformprozesse
  • Entwicklung von Halbzeugherstellung, Vorformgebung und Hauptumformstufen

Lösungsweg

Ausgangspunkt der Entwicklungsarbeit war die Vorgabe, das neuartige B-Säulenkonzept möglichst seriennah zu gestalten. Dazu wurde als Referenzkonstruktion die Karosseriestruktur des VW Golf A5 verwendet, da für die aktuelle Serienlösung entsprechende Vergleichswerte bezüglich Crashverhalten, funktioneller Eigenschaften sowie der Fertigungs- und Montagetechnologie verfügbar waren.

Zunächst war es notwendig, den Ist-Zustand zu analysieren, um daraus Erkenntnisse für die flanschlose Gestaltung der B-Säule zu generieren. Zielvorgabe war dabei die Erreichung vergleichbarer Crash – Eigenschaften unter weitestgehender Einhaltung des verfügbaren Einbauraumes sowie der Verwendung im Serieneinsatz befindlicher Anbauteile wie beispielweise der Türscharniere.

Als Entwicklungsansatz wurde eine belastungsgerechte Profilgestaltung gewählt, die den im Betrieb bzw. im Crashfall einwirkenden Belastungen (Biegemomente) ein jeweils angepasstes lokales Profilwiderstandsmoment entgegensetzt.

In einem ersten Entwicklungsschritt wurden unterschiedliche Bauteilkonzepte entwickelt und einer umfangreichen Bewertung auf Basis von FE-Crashsimulationen unterzogen. Durch schrittweise Verbesserung der Konstruktion unter Einbeziehung der umform-, füge- sowie montagetechnischen Anforderungen wurde eine konstruktive Lösung der flanschlosen B-Säule erarbeitet, die den Vorgaben des Projektes entsprach. Im Rahmen der Gestaltung der flanschlosen B-Säule war es notwendig, speziell die Anbindung im unteren und oberen Bereich an die bestehende Karosseriestruktur anzupassen. Dazu wurden entsprechende Bauteile neu konstruiert bzw. konstruktiv angepasst, da die Ergebnisse der Crashsimulationen eine Einbeziehung dieser Karosseriebereiche zur Gewährleistung optimaler Eigenschaften der flanschlosen B-Säule erforderlich machten. Diese sogenannten Anbindungsteile waren im Rahmen der Projektarbeit nur von untergeordneter Bedeutung, weshalb auf die Optimierung dieser Bauteile verzichtet wurde.

In einer abschließenden FE-Crashsimulation wurde die entwickelte konstruktive Lösung verifiziert und zur Fertigung der Demonstratorbauteile freigegeben. Dazu erfolgte zunächst die Methodenplanung zur Herstellung der flanschlosen B-Säule auf Grundlage der IHU-Technologie. Wesentliches Merkmal der konstruktiven Lösung war dabei, dass auf signifikante Querschnittssprünge im Bauteil verzichtet werden konnte, wodurch als Halbzeug auf konventionelle, Längsnaht geschweißte Rohre konstanten Querschnitts sowie konstanter Wanddicke zurückgegriffen werden konnte. Die Arbeitsfolge entsprach dabei folgender Vorgehensweise:

  • OP 10 Ablängen
  • OP 20 Biegen
  • OP 30 Vorformen
  • OP 40 Innenhochdruck-Umformen
  • OP 50 Laserbeschnitt

Entsprechend der Arbeitsfolge wurden die jeweiligen Vorrichtungen und Werkzeuge konzipiert und gefertigt. Diese bildeten die Grundlage für die Herstellung der Demonstratorbauteile im Rahmen einer Prototypenfertigung. Mit den innenhochdruckumgeformten B-Säulen erfolgte die Erprobung des Füge- und Montageprozesses in einer Seitenwandbaugruppe. Dabei kamen sowohl mechanische als auch thermische Fügeverfahren wie beispielsweise das Laserschweißen zum Einsatz.

Ergebnisse

Im Rahmen des Projektes wurde eine flanschlose B-Säule auf Basis der IHU-Technologie entwickelt, welche vergleichbare Crasheigenschaften gegenüber der im Serieneinsatz befindlichen pressgehärteten Lösung aufweist. Die gefundene konstruktive Ausführung lässt sich weitestgehend in den bestehenden Rohbau-ZSB der aktuellen Golf A5 Karosserie integrieren, ohne die Platzverhältnisse im Fahrgastraum zu beeinflussen. Die Anbindung im Schweller- und Dachrahmenbereich wurde entsprechend der Anforderungen an ein geschlossenes Profil angepasst. Hier liegt jedoch noch weiteres Optimierungspotenzial zur belastungsgerechten und gewichtsoptimierten Gestaltung der gesamten Seitenwandgruppe vor.

Die Integration des neuartigen B-Säulenkonzeptes in den Montageprozess der Gesamtkarosserie wurde durch Anpassungen in der Fügereihenfolge sowie den Einsatz neuer Fügetechnologien gelöst. Als positiv für das Fügekonzept erwies sich die flanschlose Gestaltung des B-Säulen-Verstärkungsteiles, wodurch das Fügen von Dreifachblechverbindugen gegenüber dem Serienprozess komplett vermieden werden konnte.

Im Rahmen der Untersuchungen zur Gewichtsbilanz sowie zum Primärmaterialeinsatz, der Fertigungstechnologie sowie der erforderlichen Werkzeug- und Anlagentechnik konnten durchweg positive Effekte nachgewiesen werden. Wesentliche Merkmale dabei sind:

  • Gewichtseinsparung von 2,3 kg je Fahrzeug
  • Senkung des Primärmaterialeinsatzes durch Nutzung von rohrförmigen Halbzeugen um 50 %
  • Reduzierung der Teileanzahl von 10 auf 4
  • Kostenreduzierung in der Logistik durch einfachere Transportbehälter

Abb.2: Realisiertes Demonstratorbauteil „Flanschlose B-Säule“ in einem Ausschnitt der Seitenwandbaugruppe des Golf A5