Presshärten

Abb.1: Durch die Verfahrenskombination IHU-Presshärten hergestellte Crashbox

Aktuelle Entwicklungen in der Automobilindustrie tendieren verstärkt zu einer breiteren Produktpalette, die vor allem hinsichtlich Design, Komfort, Sicherheit und Leistung wachsende Anforderungen erfüllen muss. Das Auto wird dabei zunehmend zum Lifestyle-Artikel und Statussymbol. Verbunden mit diesen Entwicklungstrends sind eine wachsende Teilevielfalt und Komplexität, bei gleichzeitig sinkender Fertigungsstückzahl. Daraus resultierend sind zunehmend Technologien zur kosten- und energieeffizienten Fertigung komplexer Bauteile in kleineren Fertigungslosen erforderlich.

Im Ergebnis dieser fertigungstechnischen Anforderungen hat sich in den letzten Jahren unter anderem die Innenhochdruckumformung (IHU) von Rohren und Profilen, vor allem für Bauteile im Bereich Fahrwerk, Karosseriestruktur und Abgasführung, etabliert.

Das wachsende Umweltbewusstsein und die daraus resultierende Aufgabe zur signifikanten Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und damit direkt verbunden der CO2-Emissionen führt zunehmend zu Leichtbautechnologien und Leichtbauwerkstoffen in der Automobilkarosserie. Im Zusammenhang mit wachsenden Sicherheitsanforderungen kommen dabei vor allem hoch- und höchstfeste Stähle zum Einsatz. Bedingt durch deren schlechtere Umformeigenschaften werden die umformtechnischen Grenzen beim konventionellen IHU häufig erreicht.

Ein Lösungsansatz ist die Umformung unter erhöhten Temperaturen. Im Rahmen laufender Untersuchungen zum thermischen IHU arbeitet das Fraunhofer IWU unter anderem an der Entwicklung einer Technologie zum Presshärten von Rohren und Profilen aus dem Werkstoff 22MnB5 mittels gasförmiger Wirkmedien. Dabei werden Rohre bzw. geschlossene Profile auf Austenitisierungstemperatur erwärmt, in diesem Zustand in das gekühlte Umformwerkzeug eingelegt und in einem gleichzeitigen Prozess umgeformt und gezielt abgekühlt.

Die folgende Abbildung zeigt Anwendungspotenziale für entsprechend komplexe, geschlossene Profile in der Automobilkarosserie:

Abb.2: Einsatzmöglichkeiten pressgehärteter Rohre und Profile*

Die anlagentechnische Versuchsaurüstung basiert auf einer 50.000 kN IHU Anlage der Firma Schuler sowie einem Gasdruckverdichtermodul der Firma Maximator, welches im Bedarfsfall Umformdrücke bis zu 740 bar bei einem nutzbaren Volumen von sechs Litern zur Verfügung stellen kann. In Kombination mit dem Umformmedium Stickstoff sind Umformtemperaturen bis zu 1.000°C möglich.

Zur Bauteilerwärmung steht neben diversen Öfen mit Heizraumabmessungen bis zu 2.000 x 1.250 x 200 mm auch ein Induktionsgenerator mit 50 KW Leistung zur Verfügung. Zur Werkzeugkühlung kann eine modulare Wasserkühlanlage eingesetzt werden.

Die Prozess- und Werkzeugauslegung erfolgt auf Grundlage von themo-mechanisch gekoppelten Simulationen mit dem System LS-Dyna. Zur Bereitstellung der erforderlichen thermischen Werkstoffkennwerte steht eine Vielzahl von Prüfeinrichtungen zur Verfügung. Zur Bestimmung thermischer Reibkoeffizienten kommt ein thermischer Reibprüfstand zum Einsatz.

Abb.3: simulierter Temperaturverlauf im Werkzeug (links) und im Bauteil (rechts) nach dem Schließen des Werkzeuges

Anhand Umfangreicher Versuchsreihen mit unterschiedlichen Bauteilgeometrien konnte den Nachweis der Machbarkeit eines Presshärtevorganges im Rahmen einer wirkmedienbasierten Umformung für Rohre und Profile erbracht werden. Dabei erfolgte das Bauteilhandling vom Ofen zum Werkzeug noch manuell, in einer weiteren Ausbaustufe ist zukünftig der Einsatz eines Roboters zum schnellen und reproduzierbaren Teiltransport geplant.

Abb.4: Prozessablauf

Zu prozesstechnischen Untersuchungen wurde unter anderem die Modellgeometrie eines Deformationselementes genutzt. Das Bauteil basiert auf einem Ausgangsrohr mit 70 Millimetern Durchmesser, einer Wanddicke von zwei Millimetern und einer Ausgangslänge von 400 Millimetern. Die Mikrohärteprüfung und die metallographische Untersuchung der Versuchsteile ergaben dabei erreichte Festigkeiten zwischen 1.400 und 1.600 MPa. bei weitestgehend homogenem martensitischen Gefüge.


Abb.5: Versuchsbauteil mit Härtemessung und metallographischer Untersuchung

Weitere Untersuchungen zur Verfahrensoptimierung und zur Übertragung der Ergebnisse auf seriennahe Bauteilgeometrien sind geplant. Im Fokus stehen dabei neben prozess- und anlagentechnischen Optimierungen zur Verkürzung der Taktzeit der Einsatz eines automatisierten Bauteilhandlings sowie einer optimierten Werkzeugkühlung.

     

(* Quelle: Neugebauer, Göschel, Sterzing, Schieck, “Gas forming with integrated heat treatment for high performance steel – a solution approach for press hardened tubes and profiles” CHS² - 2009 Lulea, Schweden, 15.-17.06.2009)